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Maerchen/Deutschland
Ein Mährchen.
Es war einst eine Fee, welche recht gütig gegen Alle, besonders gegen die Kinder, welche sie sehr liebte, war. Zwei kleine Mädchen beredeten sich deshalb, sie einmal zu besuchen, um das schöne Schloß, welches sie bewohnte, und die Herrlichkeiten in demselben, recht betrachten zu können. Sie führten ihren Vorsatz aus, und begaben sich zu ihr. O! wie erstaunten sie über die Pracht und Herrlichkeit, die sie daselbst erblickten. Das ganze Schloß war von Kristall und alle Säulen desselben, und deren gab es viele, waren von ächtem Golde, oben und unten reich mit Brillanten verziert; auch das Dach war von Gold und Edelsteinen, und man kann denken, wie das alles, besonders im Sonnenschein, blitzte und funkelte. Inwendig waren die herrlichsten Tapeten an den kristallnen Wänden und die schönsten Gemählde und Spiegel. Es versteht sich, daß die Sopha und Tische und Stühle nicht minder prächtig waren, so wie die Kronleuchter, welche aus Edelgesteinen zusammengesetzt, herrlich glänzten. Seidne Teppiche lagen auf den marmornen Fußboden. Und die Gärten umher, wie mußten die unsre kleinen Mädchen entzücken! Da gab es Blumen und Früchte, so schön um sie beschreiben zu können, und bunte Vögelchen, unter denen Colibris (diese schönen kleinen Vögelchen, die kleinsten welche es giebt, werden hoffentlich den kleinen Lesern, schon bekannt seyn) herum flatterten, und andere sangen so lieblich und hüpften dann zutraulich zu den kleinen Gästen, sich von ihnen fangen zu lassen. Goldfarbige und purpurrothe Fischchen plätscherten in dem hellen Wasser der Fontainen und kleinen Bäche umher, und die herrlichen Düfte der wohlriechendsten Blumen waren durch die Luft verbreitet. Ein niedlicher Zwerg führte die beiden kleinen Mädchen herum; und als sie alles gehörig gesehen und bewundert hatten, kam die Fee in den herrlichen Saal, in welchem sie an einer Tafel mit Zuckerwerk und schönen Früchten, Platz genommen hatten, zu ihnen, und sahe freundlich zu, wie sie mit dem größten Appetit schmauseten. Als sie fertig waren, sprach sie: »Nun, Kinderchen, kommt mit mir, ich will euch noch so manches zeugen.« Neugierig sprangen sie auf und folgten der Fee durch viele schöne Zimmer in eines, welches sehr groß war. O Himmel, welch ein entzückender Anblick! die schönsten Spielsachen waren von allen Seiten her, hochaufgethürmt zu sehen. Puppen gab es da mit seidnen und goldnen Kleidern, und geschmückt mit Hütchen und Hauben und Blumen; eine jede von der andern verschieden in Putz und Kleidung. Früchte von Wachs, so natürlich und appetitlich, daß man sogleich Lust bekam, sie zu essen. Hündchen, Kätzchen, Hühner, Tauben, Lämmer, aber auch wilde Thiere, wie Löwen, Tieger, Leoparden, gab es im Ueberfluß, und alles war gar zu schön! Dann gab es auch schöne Palläste, wie der der Fee von Kristall und Gold, und in diesen wimmelte es von fingerlangen Bewohnern, welche nicht müssig da standen, nein, welche sich regten und bewegten. In einem saß eine kleine Gesellschaft an der Tafel und speisete; eine Menge Schüsseln füllten den Tisch, man sahe sie zierlich Löffel, Messer und Gabel gebrauchen und speisen; sie sprachen auch mit großer Lebhaftigkeit, wie man an ihren Mienen und Bewegungen sah, man konnte aber natürlich nichts verstehen, da ihr Sprechen nur dem Gesumse der Bienen glich. Ein Bedienter ließ ungeschickter Weise eine Schüssel fallen; was gab es da für einen Aufstand unter den kleinen Figürchen! Einige waren von den Speisen, die verschüttet, bespritzt, und konnten ihren Verdruß, trotz aller angewendeten Mühe, nicht verbergen. Und nun das klägliche Gesicht des Bedienten, der so ungeschickt sich benommen! In einem andern kleinen Pallaste ward getanzt. Eben so kleine Wesen, aufs prächtigste geputzt, flogen nach dem Tacte der Musik dahin und dorthin, und als die Instrumente recht laut waren, konnte man denn doch sie ein wenig hören. Die fingerlangen Figuren zierten und dreheten sich, wie die Originale, die sie verkleinert darstellten. Dort tanzte ein alter süsser Geck mit einem schönen jungen Mädchen; da eine alternde Kokette in überladenem Putz mit einem jungen Herrchen, das noch kaum aus den Kinderschuhen war. In einem andern Zimmer spielten viele Persönchen, und man sahe deutlich Zorn und Freude auf ihren Gesichtern wechseln. Ein Theater belustigte die kleinen Mädchen sehr; da gab es ein Schauspiel im Schauspiel. Auch kleine Wälder, schöne Gärten, Spaziergänge gab es, und pfeilschnell flog hier und da eine Kutsche, dort ein Kabriolet, vorbei, neben den wandernden Spaziergängern. Die Kinder waren wie bezaubert verloren in den herrlichen Sachen der Fee. Endlich sprach diese: »Hört, lieben Mädchen, ich wäre gar nicht ungeneigt, euch dieses oder jenes der hübschen Sächelchen mitzugeben, doch erst muß ich euch etwas Wichtigeres fragen. Seht! ich kann eine jede von euch, entweder recht weise, klug und verständig, oder recht schön machen. Jetzt wählt, was ihr wollt, und sagt mir eure Meinung. Du, Blondine, als die Aelteste, wähle zuerst; dann du, braunes Lockenköpfchen!« Blondine sann nur eine Minute, dann rief sie: »O die Schönheit, das versteht sich! Mach mich recht schön, liebe Fee!« Lockenköpfchen besann sich schon länger, dann sprach sie: »Die Mutter sagt immer: es wäre einerlei schön oder nicht schön zu seyn, aber man müsse recht gut seyn, und recht weise und recht verständig. So laß mich, liebe Fee, recht gut seyn, und recht klug.« Die Fee umarmte sie, und sprach: »Du hast wohl gewählt, mein liebes Kind, und besser als Blondine. Die Schönheit ist eine vergängliche Zierde, die durch Krankheit oder Unglück und Gram zeitig verschwindet; die Güte aber und die Weisheit bleiben uns immer und machen beliebt und geachtet. Jetzt wähle du zuerst was dir gefällt, und dann du Blondine.« Bescheiden zeigte Lockenköpfchen nur auf einige der geringsten Sachen; aber die Fee wählte selbst für sie, und ob wohl auch Blondine nicht leer ausging, so bekam die andere doch noch mehr, so daß Beide nicht wußten, alles heim zu bringen. Aber die Fee wußte Rath zu schaffen und hieß sie, als es dunkel werden wollte, unbesorgt nach Hause gehen, beladen mit Obst und Gebackenem, und kaum waren sie bei den Eltern angekommen, und eifrig im Erzählen begriffen, als auch schon die Geschenke der Fee im Zimmer waren, und durch ihre Schönheit Eltern und Geschwister entzückten.
Quelle:
Karoline Stahl: Fabeln, Mährchen und Erzählungen für Kinder. Nürnberg 1821, S. 181-186.
Quelle: http://www.zeno.org - Zenodot Verlagsgesellschaft mbH
Samstag, 18. Oktober 2008 | 4717 Zugriffe
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Sagen/Luxemburg
Eine Frau aus Palzem erzählt: Es war einmal ein Jüngling, der war losledig und wohnte allein und zufrieden in seinem Hause. Da kam nachts ein überaus schönes Mädchen zu ihm, das ihm ungemein gefiel, und er dachte: »Wenn doch das Mädchen deine Frau wäre.« Was er auch anrichtete, um es zurückzuhalten, jedesmal war es plötzlich wieder verschwunden. Traurig ging er zur klugen Nachbarin und klagte ihr sein Leid. Die ersah gleich, wo der Schlüssel zur Sache sein mußte, und sprach: »Ist kein Knotenloch in deiner Haustür? Das mußt du zumachen, sobald die Jungfrau drinnen ist; dann kommt sie nicht mehr fort, denn sie muß auf demselben Wege hinausgehen, wo sie hereingekommen.« Der Jüngling schaute nach in der Tür und fand wirklich ein Knotenloch. Dafür machte er nun einen Zapfen, der gerade paßte, und legte sich getrost zu Bett. Als nun des Nachts die Jungfrau wie gewöhnlich hereinkam, sprang er aus dem Bett und steckte den Zapfen ins Knotenloch. Da kam das Mädchen nicht mehr fort und er behielt es bei sich und fragte, ob es nicht sein Weib werden wolle. Sie wurden denn auch bald verheiratet, und Gott schenkte ihnen drei allerliebste Kinder. Eines Tages, als die Frau Pfannkuchen buk, und der Mann eben nichts zu tun hatte, dachte er bei sich: »O! es ist jetzt einerlei, ob das Loch auf ist oder zu«, und er stieß den Zapfen aus. Da tat die Frau bei den Kindern einen hellen Schrei: »Puh! ich höre die Glocken in England läuten!« und husch! husch! war sie durchs Knotenloch verschwunden und kam nie mehr zurück. Und da saß nun der Mann mit seinen drei Kindern. Wenn er klug gewesen und den Zapfen nicht ausgestoßen oder kein Hexengespenst aus England heimgeführt hätte, so wäre sein Weib noch heute bei ihm.
N. Gaspar
Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 25-26.
Sonntag, 05. Oktober 2008 | 4346 Zugriffe
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Maerchen/Kroatien
Es waren einmal sieben Brüder von einer Mutter. Als sie nun erwachsen waren, wollten sie heiraten und kamen überein, eine Frau zu suchen, die sieben Töchter hätte. So machten sie sich auf den Weg, jeder wählte sich ein Pferd aus, und der jüngste nahm sich das schlechteste, das kaum gehen konnte, so mager war es, aber er kehrte sich nicht daran, denn er wußte, was das für ein Pferd war: es war ein Vilenpferd. Die Brüder waren ärgerlich auf ihn, daß er sich ein so elendes Pferd genommen hatte, aber das war ihm einerlei. So zogen sie ab in die Welt, und einmal sahen sie eine Frau, die mit acht Stuten pflügte. Zu der gingen sie und fragten, ob sie wohl von einer Frau wüßte, die sieben Töchter hätte, »denn wir sind sieben Söhne von einer Mutter, darum suchen wir sieben Töchter, die ebenfalls von einer Mutter sind, die wollen wir dann heiraten«. Sie antwortete, daß sie gerade die sei, die acht habe: »Also übernachtet bei mir, Kinder, die Sonne steht ja schon tief.« Darauf gingen sie zusammen zu der Alten, sie gab ihnen Abendessen und richtete ihnen zum Schlafen her. Aber das Pferd des jüngsten hatte vorher seinem Herrn gesagt, sie möchten gut achtgeben, sonst würden sie nicht lebendig davon kommen. Das Pferd wußte nämlich alles; die Alte war eine Hexe, sie hatte acht Töchter, eine davon hatte goldnes Haar, aber die brachte die Mutter nicht zum Vorschein. Der jüngste sagte nun seinen Brüdern, sie möchten nicht einschlafen; wenn sie aber eingeschlafen wären, würde er sie wecken, sie sollten dann schnell aufstehen. Darauf gingen sie schlafen, der jüngste aber blieb wach, sann und schlief nicht ein, sondern gab gut acht und vertauschte allen die Mützen, ihre setzte er den Töchtern der Alten auf, und die Zügel ihrer Pferde legte er den Stuten der Alten an. Jetzt dachte die Alte, daß alle eingeschlafen wären, ging hin und hieb allen mit dem Säbel die Köpfe ab, meinte aber, sie hätte den Burschen und ihren Pferden die Köpfe abgeschlagen, es waren aber nicht die, sondern ihre eigenen Töchter und Stuten. Darauf ging sie ruhig schlafen. Als nun der jüngste meinte, sie wäre schon ordentlich eingeschlafen, stand er leise auf, weckte seine Brüder und sagte leise zu ihnen: »Steht leise auf, zieht euch an, besteigt jeder sein Pferd, und dann fort so schnell ihr könnt, ich werde euch schon einholen.« Sie standen auf, merkten, daß etwas nicht in Ordnung war, und machten sich schnell davon. Als nun der jüngste Bruder dachte, daß sie weit genug weg wären, bestieg auch er sein Pferd, begab sich an das Fenster, machte Lärm und fragte die Alte: »Schläfst du oder wachst du?« Sie antwortete: »Ich schlief, aber jetzt nicht mehr.« Dar auf sagte er: »Du hast deine sieben Töchter ermordet, wir haben die sieben goldnen Zügel und die sieben Mützen weggenommen.« Damit sprengte er fort. Die Alte aber sprang schnell auf, sah, daß alle sieben Töchter getötet waren, setzte sich schnell auf ihre Ofengabel – denn sie brauchte der nur einen Zaum überzuwerfen, dann wurde ein Pferd daraus – und eilte ihm nach. So schnell rannte sie, daß nur wenig fehlte, sie hätte ihn eingeholt. Aber er hatte schon die Grenze übersprungen. Da rief die Alte: »Du kannst Gott danken, daß ich dich nicht eingeholt habe«; damit ging sie nach Hause, und er zog seinen Brüdern nach. Die holte er nach kurzer Zeit ein, und sie zogen zusammen weiter. Jetzt besannen sich die sechs Brüder darauf, daß sie ihn hätten zurücklassen können und meinten, sie hätten ihn dann nie lebendig wiedergesehen, da er so ein elendes Pferd hatte. Aber sie wußten nicht, was es mit dem Pferde für eine Bewandtnis hatte. Sie zogen nun weiter und kamen an einen Kreuzweg. Da machten sie halt und besannen sich. Die sechs Brüder aber konnten den jüngsten nicht leiden; deswegen sagten sie zu ihm, er dürfe nicht weiter mit ihnen gehen, sonst würden sie ihn umbringen, er solle lieber den einen Weg einschlagen, sie würden den andern nehmen. So geschah es, der arme Bursche zog allein seines Weges. Auf einmal fing sein Pferd an zu sprechen: »Herr, wenn wir jetzt weiter gehen, was du auf dem Wege siehst, sieh nicht; was du hörst, höre nicht.« Als sie ein Stück gegangen waren, bemerkte er auf dem Wege drei goldene Haare und rief: Ho, halt! Die Haare hob er auf; da sagte ihm das Pferd: »Ich habe dir gesagt: was du siehst, sieh nicht; was du hörst, höre nicht; es wird dir leid tun.« Wieder gingen sie weiter, da bemerkte er drei goldene Federn und rief: Ho, halt! Auch die Federn hob er auf, und das Pferd sagte wieder: »Ich habe dir gesagt: was du siehst, sieh nicht; was du hörst, höre nicht, es wird dir leid sein.« Wieder zogen sie weiter, und er erblickte ein goldenes Hufeisen und rief: Ho, halt! Auch das hob er auf, und wieder sagte ihm das Pferd: »Ich habe dir gesagt: was du siehst, sieh nicht; was du hörst, höre nicht; es wird dir leid sein.« Er kehrte sich aber nicht daran. Sie setzten ihre Reise fort und kamen zu einem Schloß, wo der König wohnte. Dort fragte er, ob sie ihn in Dienst nehmen wollten. Zufällig konnten sie ihn bei den Pferden brauchen und gaben ihm zwei Pferde zum Füttern und Putzen. Er stand immer sehr früh auf, vor den andern Dienern, und legte in eine Ecke das Hufeisen, in die andre die drei Federn, in die dritte die goldnen Haare; die leuchteten ihm so, daß er nie ein Licht brauchte. Er striegelte die Pferde, die man ihm gegeben hatte, dann seines, und hatte alles in Ordnung, ehe die andern Diener aufstanden. Die wunderten sich, daß sie ihn nie putzen sahen und er doch die schönsten und besten Pferde hatte. Das dauerte so eine Zeitlang; die andern waren aber böse auf ihn, weil er sehr stolz war, und fingen an ihn zu verleumden, konnten aber nichts ausrichten, denn er war sehr gut für die Pferde. Danach belauerten sie ihn, wenn er seine Pferde putzte, und bemerkten so bei ihm die Dinge, die er gefunden hatte. Das erzählten sie ihrem Herrn, und so kam es zu des Königs Ohren, was der Bursche besaß. Der König ließ ihn nun vor sich kommen und fragte ihn, woher er die Dinge habe. Er antwortete, er habe sie gefunden. Aber der König meinte, er müsse doch das Mädchen kennen, von dem die Haare wären und befahl ihm, er solle es herbeischaffen, sonst würde er den Kopf verlieren. Der arme Bursche wurde bekümmert und weinte; wie sollte er eine herschaffen, von der er gar nichts wußte. So ging er in den Stall zu seinem Pferdchen und weinte. Das Pferd fragte ihn, warum er weine, und er erzählte, was für einen Befehl er bekommen hatte; wenn er den nicht ausführe, würde er den Kopf verlieren. Darauf antwortete das Pferd: »Siehst du, ich habe dir gesagt, es wird dir leid sein, daß du mir nicht gehorcht hast; aber es macht nichts; geh und verlange für mich Futter und für dich Mundvorrat auf drei Tage, dann wollen wir uns aufmachen, sie zu holen.« Das bekam er und begab sich zu der Alten, wo er mit seinen Brüdern geschlafen hatte. Die hatte das Mädchen, es war die achte Tochter; sie hatte sie hinter neun Stuben verborgen, und an jeder Stubentür waren neun Klingeln. Er dachte nun nach, wie er das Mädchen herausschaffen könnte. Vor dem Hause der Alten war ein großer Morast, und das Pferd sagte ihm, er solle es in den Morast treiben und dann Leute zur Hilfe rufen, die ihm beistehen könnten, sein Pferd aus dem Morast zu ziehen, selbst solle er sich aber anstellen wie ein Bettler; während sie dann das Pferd aus dem Morast zögen, solle er das Mädchen stehlen und sich davon machen. So geschah es; er rief um Hilfe, und die Alte kam selbst heraus zu helfen, und während sie sein Pferd aus dem Morast zogen, stahl er das Mädchen. Dann kam das Pferd wieder zu ihm, er setzte sich mit dem Mädchen auf und brachte es dem König. Dem gefiel das Mädchen sehr und er wünschte, daß sie die Frau seines Sohnes würde; aber sie wollte nicht, sondern sagte, wenn man ihr die drei Enten brächte, von denen die drei goldnen Federn kämen, dann würde sie ihn nehmen. Darauf fragte der König, wer die herschaffen könnte, und sie antwortete: »Der mich hierher gebracht hat.« Da ließ der König den Burschen wieder zu sich rufen und befahl ihm, er solle die drei Enten bringen, sonst würde er den Kopf verlieren. Wieder ging da der Arme zu seinem Pferde und weinte, und wiederum fragte das Pferd: »Herr, was weinst du?« Er erzählte, was er wieder für einen Befehl vom König bekommen hatte, und das Pferd antwortete: »Siehst du, Herr, ich habe dir gesagt, was du siehst, sieh nicht, was du hörst, höre nicht; es wird dir leid sein; ist es dir nicht leid?« Er antwortete: »In der Tat, es ist mir leid.« Das Pferd aber sagte: »Hab keine Furcht, geh und fordre für dich Mundvorrat und für mich Futter auf fünf Tage.« Das tat er, sie machten sich auf den Weg und gingen wieder zu der Alten, die eben die drei Enten hatte. Dort bat er um Quartier, und die Alte nahm ihn ohne weiteres auf, denn sie kümmerte sich nicht mehr um viel, nachdem sie erst die sieben Töchter und dann noch die achte verloren hatte, die ihr am liebsten war. In der Nacht, als die Alte schlief, stand er auf, stahl die Enten, bestieg dann sein Pferd, begab sich ans Fenster und fragte: »Alte, schläfst du oder wachst du?« Sie antwortete: »Ich schlief, aber jetzt wache ich.« Darauf sagte er: »Du hast deine sieben Töchter umgebracht, und die achte, die mit dem Goldhaar, haben wir entführt, jetzt nehmen wir dir auch die drei goldenen Enten weg.« Mit den Worten eilte er davon, die Alte sprang auf, bestieg ihr Ofengabelpferd, nahm als Säbel ihre Flachsbreche in die Hand und ritt ihm nach, so schnell, daß sie daran war ihn einzuholen. Zum Glück hatte er eine dichte Pferdestriegel bei sich, die er unterwegs gefunden hatte, als er auf dem Wege zu den Enten war; er hatte sie behalten, weil sein Pferd ihm sagte, sie würde ihm von Nutzen sein. Als nun die Alte sie schon einholen wollte, sagte das Pferd, er solle die Striegel hinwerfen; und sowie er das tat, wuchs ein großer dichter Wald auf. Der hielt die Alte auf, und bis sie da durch kam, waren der Bursche und sein Pferd weit weg, aber wiederum holte die Alte sie bald ein, und bei einem Haar hätte sie sie eingefangen, schon traf sie mit ihrem Säbel das Pferd von hinten, aber zum Glück waren sie über die Grenze, und da hatte die Alte mit ihren Hexenkünsten keine Macht mehr. Er brachte nun die Enten zu dem König, der wollte, daß das Mädchen jetzt seinen Sohn heirate, aber sie antwortete wieder, sie würde seinen Sohn nicht eher nehmen, als bis man das Pferd herbeigeschafft habe, von dem das Hufeisen sei. Da fragte der König, wer das könnte, und sie antwortete: »Der mich hierher gebracht hat.« Wiederum ließ der König den Burschen rufen und befahl ihm, das Pferd herzuschaffen, sonst würde er den Kopf verlieren. Der Arme weinte, daß er nach so viel Plage immer noch keine Ruhe hatte, und ging wieder zu seinem Pferde. Das fragte ihn: »Herr, was weinst du wieder?« – »Was sollte ich nicht weinen, wenn mir der König befiehlt, das Pferd herzuschaffen, von dem das Hufeisen ist.« – »Siehst du, Herr, ich habe dir gesagt: was du siehst, sieh nicht; was du hörst, höre nicht; es wird dir leid sein. Bis jetzt haben wir viel ausgestanden, aber bis wir das Pferd herschaffen, werden wir noch mehr Plage haben, denn es ist der Hengst unter den Vilenstuten. Aber deswegen weine nicht, geh nur und fordere für dich Mundvorrat und für mich Futter auf neun Tage, dazu noch neun Büffelhäute, neun Knäuel Garn und neun Nadeln.« Das alles bekam er, nähte alle Felle mit dem Garn und den Nadeln um sein Pferd, und so zogen sie ab. Er hatte auch noch neun Metzen Hirse gefordert, und die hatten sie mitgenommen. Als sie ans Meer kamen, belehrte das Pferd seinen Herrn, was er tun solle – der Hengst war nämlich jenseits des Meeres – er solle auf einen Baum steigen, den es ihm zeigte, »ich werde mich in der großen Grube hier verstecken, und wenn du den Hengst zum drittenmal herüberkommen siehst, werde ich mit ihm rennen, und wenn du dann siehst, daß mir eine rote Flamme aus dem Maule kommt, freue dich; wenn du aber siehst, daß mir eine blaue und ihm eine rote aus dem Maule kommt, dann kannst du dir nur selbst mit deinem Säbel das Leben nehmen.« Der Bursche stieg also auf den Baum, das Pferd aber verbarg sich in der Grube und wieherte. Da flog der Hengst übers Meer heran, suchte nach dem Pferd, fand es aber nicht und kehrte zurück. Darauf wieherte es zum zweitenmal, wieder kam der Hengst übers Meer, suchte und fand es wieder nicht und kehrte zurück. Darauf wieherte es zum drittenmal, der Hengst kam wieder, und da kam das Pferd zum Vorschein; die beiden fingen an zu rennen und rannten so, daß von des Burschen Pferd schon acht Büffelhäute gesprengt waren; nur Gott verhütete, daß der Hengst es nicht besiegte. Da sah der Bursche, daß von seinem Pferde eine rote Flamme ausging, von dem Hengst eine blaue, und stieg von dem Baum herab. Da sagte ihm sein Pferd, er solle die neun Metzen Hirse am Meeresufer ausstreuen, die Stuten würden zu dem Hengst kommen und würden sich mit der Hirse aufhalten, »während dessen gehen wir davon, du besteigst den Hengst und dann fort.« Der Bursche tat, wie das Pferd ihm befahl, ritt den Hengst zum Schlosse, wartete aber nicht, bis man ihm das Tor öffnete, sondern sprang hinüber, denn zu warten hatte er keine Zeit, da die Stuten hinter ihm her sprengten. Darauf öffnete man das Tor, und alle Stuten liefen hinein; der Bursche aber war glücklich gerettet neben seinem Pferde. Nun bestand der König darauf, daß das Mädchen jetzt seinen Sohn heirate. Sie aber sagte wieder, sie werde ihn nicht eher heiraten, als bis die Stuten gemolken würden. Da fragte der König wieder, wer diese wilden Tiere melken könnte. Sie antwortete: »Der mich hierher gebracht hat.« Darauf befahl ihm der König, er solle die Stuten melken, wenn er sein Leben behalten wolle. Das Pferd aber sagte zu seinem Herrn: »Verlange, daß man mich dir helfen läßt.« Das tat er, und sie erlaubten es ihm, wenn er nur den Wunsch des Mädchen erfüllte. Er konnte es ausführen, weil das Pferd ihm half, sonst hätte er es nicht können, und so molk er einen großen Bottich voll, die Milch war aber siedend heiß, wie im Kessel gekocht. Jetzt bestand der König wieder darauf, daß das Mädchen seinen Sohn nehmen sollte, sie antwortete aber wieder, sie würde ihn nicht eher nehmen, als bis wer sich in der Milch badete. Darauf fragte der König, wer sich denn in der siedenden Milch baden solle. Sie antwortete: »Der mich hierher gebracht hat.« Da befahl der König dem Burschen, er solle es tun; der ging zu seinem Pferde und weinte, und wiederum fragte ihn das Pferd, warum er weine. Er antwortete, daß er sich in der siedenden Milch baden solle. Darauf sagte das Pferd: »Weißt du was? Bitte den König, daß er mir erlaubt mitzugehen und deinen Tod anzusehen, denn jetzt sei deine letzte Stunde da.« Das tat der Bursche, und es wurde dem Pferde erlaubt, zuzusehen. Als nun das Pferd zu der Milch kam, sog es alle Hitze daraus auf, und der Bursche ging und badete darin, kam glücklich wieder heraus und war noch dreimal schöner als vorher. Darauf ließ das Pferd die Hitze, die es mit dem Maule aufgesogen hatte, wieder in die Milch. Der Sohn des Königs hatte gesehen, daß der Bursche so schön geworden war und ging ebenfalls, sich in der Milch zu baden, aber sowie er hineingestiegen war, verbrühte er sich so, daß er starb. Da merkten alle, daß dem Burschen immer sein Pferd beigestanden hatte; der König aber, da er seinen Sohn verloren hatte, nahm den Burschen an Sohnes Statt an und verheiratete ihn mit dem Mädchen. So lebten sie glücklich bis an ihr Ende.
Quelle:
Leskien, August: Balkanmärchen. Jena: Eugen Diederichs, 1915, S. 161-162,186-193.
Freitag, 17. Oktober 2008 | 4331 Zugriffe
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Maerchen/Wales
In Mathavarn, Kirchspiel Llanwrin im Cantref1 Cyveillioc ist ein Wald, welcher der Eibenforst heißt; wahrscheinlich, weil grad in seiner Mitte ein Eibenbaum steht. An einigen Plätzen dieses Waldes sind grüne Kreiße auf dem Boden, welche das Volk: Feentanzplätze nennt und von denen Folgendes Mabinogi2 geht.
Zwei Knechte John Pugh's giengen eines Tages aus, um in dem Eibenforst zu arbeiten. Schon ziemlich früh am Nachmittage war die ganze Gegend so mit dunklen Wolken bedeckt, daß die Burschen dachten, es wäre Nacht geworden. Aber als sie in die Mitte des Waldes und an den Eibenbaum kamen, flammte und hellte es sich um sie wieder auf, und das Dunkel schwand hinter ihnen. Da sie nun dachten, es sei doch noch zu früh, um schon nach Hause zu gehn, so legten sie sich da nieder und schliefen ein. Endlich wachte der Eine von den Beiden wieder auf, – aber wie staunte er, da sein Kamrad nicht mehr an seiner Seite lag! Zuerst ärgerte er sich darüber, daß dieser, ohne ihm ein Wort zu sagen, sich fortbegeben hatte; dann aber dachte er sich, er sei wol zum Schuhflicker gegangen, weil er ihm schon am Morgen gesagt habe, er hätte Etwas bei dem zu thun. Das sagte er auch zu Haus, als sie ihn nach dem andren Knecht fragten. Als derselbe nun aber gar nicht wiederkommen wollte, und auch am andren Tag noch fehlte, so mußte er endlich erzählen, wie und wo Beide geschlafen hätten.
Nachdem sie lange vergeblich gesucht hatten, gieng er endlich zu einem weisen Manne, der ihm Folgendes anrieth:
»Geh,« sagte er, »an denselben Platz, wo Du mit Deinem Cameraden geschlafen hast. Geh genau ein Jahr nach dem Tage hin, an welchem Du ihn verloren hast, aber es muß genau derselbe Tag und dieselbe Stunde sein. Nimm Dich dabei in Acht, daß Du nicht in den Feenring trittst, sondern stelle Dich auf den Rand der grünen Kreiße, die Du da siehst. Dein Kamrad wird mit vielen Feen zum Tanzen dorthin kommen, und wenn er Dir so nahe ist, daß Du ihn greifen kannst, dann zieh ihn so rasch wie möglich aus dem Ring heraus.«
Dieser that, wie ihm geheißen war, zog den Burschen heraus und fragte ihn: ob er nicht hungrig wäre? Dieser sagte: »Nein!« Er hatte noch die Ueberreste des Eßens, welche er in seinem Quersack gelaßen hatte, ehe er eingeschlafen war. Dann fragte [125] er: ob es noch nicht bald Nacht und Zeit sei, nach Hause zu gehn? Denn er wußte nicht, daß schon ein Jahr vergangen sei. Aber er sah so bleich aus, wie eine Leiche, und sobald er den ersten Bißen zu sich nahm, fiel er hin und war todt.
Von diesem Zauberwalde geht auch folgender Vers:
Willst zum Eibenforst Du gehn,
Sieh nicht um Dich, bleib' nicht stehn.
Hüt' den Fuß auch vor den Ringen,
Wo die Feen im Grase springen!
Fußnoten
1 Bezirk.
2 Märchen.
Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 122-125.
Quelle: http://www.zeno.org - Zenodot Verlagsgesellschaft mbH
Sonntag, 15. Februar 2009 | 4530 Zugriffe
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Maerchen/Island
Árn. I S. 89–93. Von Jón Bjarnason in Breiðuvík in der Múlasýsla.
Einst kann durch Unwetter erst im Herbste ein Teil der im Frühjahr gefangenen Fische von der Insel Seley heimgeholt werden. Der Knecht eines Pfarrers geht ein wenig von den andern fort, um zu sehen, ob das Meer nicht irgend etwas ans Land geworfen habe. Plötzlich wird die See so unruhig, dass die Leute, um sich vor dem Untergange zu retten, mit dem Schiffe heimwärts rudern müssen und den Knecht allein auf der Insel zurücklassen. Dieser ist verzweifelt und sieht schon den sichern Tod vor Augen. Da glaubt er in der Ferne schimmernde Sterne zu erblicken, doch wie er näher geht, sind es Gebäude von wahrhaft königlicher Pracht, aus deren Fenstern Lichter erglänzen. Er hört nun, wie drinnen jemand aufgefordert wird, zu dem armen Menschen, der auf der Insel zurückgelassen war, hinauszugehen und ihn hereinzuholen, damit er draussen nicht sterbe. Ein Mädchen führt ihn ins Haus, lässt ihn seinen beschneiten Mantel ablegen und leitet ihn dann in ein mit Gold und Edelsteinen geschmücktes Zimmer, in dem viele schöne, herrlich gekleidete Frauen versammelt sind. Er begrüsst alle, und sie danken ihm freundlich. Das schönste Mädchen von allen steht nun auf und bringt ihn in ein kleines, aber prächtiges Zimmer, wo sie ihm Wein und Speisen vorsetzt und überhaupt in jeder Weise für ihn sorgt. Hier lebt er nun bis Weihnachten. In der Weihnachtsnacht kommt das Mädchen zu ihm und sagt, wenn er glaube, ihr irgendwie Dank zu schulden, so solle er das jetzt beweisen. Am folgenden Tage würde ein Tanz abgehalten und sie müsse dann bei ihrem Vater sein, um dem Feste zuzuschauen. Nun müsse er ihr heilig geloben, nicht neugierig sein und zum Fenster hinaussehen zu wollen. Er verspricht es auch feierlich. Wie er am andern Tage jedoch Gesang und Harfenschlag hört, kann er der Versuchung nicht widerstehen und wirft einen Blick hinaus. Da sieht er eine grosse Gesellschaft, die tanzt und auf allerhand Instrumenten musiziert. In ihrer Mitte sitzt ein Mann in königlichem Gewände mit der Krone auf dem Haupte. Neben ihm befinden sich zwei prächtig geschmückte Frauen, augenscheinlich die Gattin und die Tochter des Königs. In dem jungen Mädchen erkennt er sogleich seine Geliebte, und um nicht von ihr gesehen zu werden, verlässt er sofort das Fenster. Der Tanz dauert nun bis zum Abend. Nachher kommt das Mädchen schweigsamer wie gewöhnlich zu ihm und macht ihm wegen seines Wortbruches Vorwürfe. Es sei nur gut, dass ihr Vater ihn wenigstens nicht entdeckt hätte. – – Am Neujahrstage hält der König wieder einen Tanz ab, und wieder gelobt der Bursche der Königstochter, seine Neugier zu bezwingen. Es geht auch längere Zeit hindurch gut, bis er es endlich nicht aushalten kann und einen Blick hinauswirft. Er sieht, dass nun alles noch viel prächtiger ist wie das erste Mal, da am Tanze sich nun auch viele Ritter beteiligen. Am Abend macht die Geliebte ihm schwere Vorwürfe, verzeiht ihm aber schliesslich. Ehe am ersten Ostertage zum dritten Male das Fest beginnt, beschwört sie ihn, diesmal wenigstens ihr treu zu sein. Denn wenn ihr Vater entdecke, dass sie einen Mann bei sich habe, so sei ihr Leben in Gefahr. Trotz dieser Warnung kann er auch jetzt nicht sich zurückhalten. Die Geliebte kommt am Abend in trüber Stimmung zu ihm und sagt, er habe sich unzuverlässiger erwiesen, wie sie je von ihm geglaubt habe – nun würde er gewiss weiter sich nicht bewähren. – – – Am letzten Wintertage sagt sie ihm, dass am andern Morgen seine Gefährten vom Festlande zur Insel kommen würden, und er solle dann mit ihnen heimfahren. Wenn es ihm irgendwie von Wert sei, dass sie ihm den Winter hindurch das Leben erhalten habe, so solle er es künftig dadurch beweisen, dass er sich öffentlich als Vater des Kindes bekenne, mit dem sie nun durch ihn schwanger sei. Denn wenn ihr Kind nicht von ihm anerkannt würde, so lasse ihr Vater sie töten. Er gelobt es ihr feierlich und verlässt sie dann am andern Morgen, nachdem er ihr noch viele Male für ihre Wohltaten gedankt hat. – – Wie seine Gefährten ihn sehen, halten sie ihn zuerst für ein Gespenst, und es bedarf langer Reden, bis sie sich überzeugt haben, dass er wirklich noch am Leben ist. – – Gegen Ende des Sommers steht auf einmal eines Sonntags, als alle in der Kirche sind, eine Wiege mit einem Kinde vor dem Altare. Über die Wiege ist eine goldgestickte Decke gebreitet, von einem Menschen ist aber nichts bei ihr zu sehen mit Ausnahme von zwei schönen Frauenhänden, die auf dem Wiegenrande liegen. Der Pfarrer erklärt, das Kind solle gewiss getauft werden, und es sei sicherlich der Vater des Kindes unter den Anwesenden. Hierbei blickt er auf seinen Knecht und meint, dass es wohl sein Kind sein würde, das ihm von der Insel Seley zugesandt worden wäre. Doch der Bursche leugnet hartnäckig und will durchaus nichts mit dem Kinde zu tun haben und verbietet dem Pfarrer, das Kind auf seinen Namen zu taufen. In demselben Augenblick verschwindet die Wiege, ein lautes Schluchzen wird hörbar, und jemand scheint sich weinend aus der Kirche zu entfernen und dem Meere zuzuwandern. – – Einige Zeit darauf verfällt der Knecht in Schwermut, und sein Leben hindurch bereut er seine Treulosigkeit gegen die Tochter des Elbenkönigs von Seley.
Mehrere andere isländische Erzählungen haben den gleichen Inhalt (Árn. I S. 83–89). Es fehlt in ihnen nur die märchenhafte, ausführliche Beschreibung, wie der auf der Insel Zurückgelassene den Winter hindurch verbrachte. Sie gehen hierüber kurz hinweg, meist mit der Erwähnung, er habe bei Elben Aufnahme gefunden und habe dann im nächsten Frühjahr unter der Bedingung heimkehren dürfen, dass er seinem Kinde später die Anerkennung nicht versage. Wie er nun sein Wort nicht hält, wird er von seiner Geliebten verflucht. Er solle zum schlimmsten Walfisch werden und künftig vielen Schiffen zum Verderben gereichen. Lange Zeit lebt er unter dem Namen Rauðhöfði oder Faxi im Meere, bis endlich ein vielkundiger Pfarrer dem Unwesen ein Ende macht und ihn zwingt, immer weiter flussaufwärts zu schwimmen, bis er an der Anstrengung zu Grunde geht.
Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 310-313.
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Montag, 06. Oktober 2008 | 4586 Zugriffe
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Maerchen/Wales
Ein alter Mann, Namens David Tomos Bowen erzählte folgende Geschichte. – Meine Mutter, sagte er, wohnte in der Nachbarschaft eines Farmhauses, welches, wie allgemein geglaubt wurde, von den Feen heimgesucht war. Es war eines jener altmodigen Häuser unter den Bergen, welches nach der Sitte der Zeiten gebaut war, wo die Farmer auf die Sicherheit und das Wolbefinden ihres Viehs noch ebensoviel bedacht waren, als auf das ihrer Kinder und ihres Gesindes. Küche und Kuhstall waren auf derselben Flur; wo beide aneinanderstießen, waren sie nur durch einen niedrigen Verschlag getrennt, über welchen hin der gute Farmer seine Thiere sehen konnte, ohne daß er einmal hätte aufzustehn brauchen.
Nun waren meine Mutter und des Farmers Frau gute Freundinnen, und die letztere beklagte sich öfters bei ihr, daß die Feen sie und ihre Familie so plagten, daß sie gar keinen Frieden mehr hätten, und daß diese kleinen Ruhestörer immer, wenn die Familie zu Mittag oder zu Abend oder zu irgend einer andern Zeit äße, oder auch nur still beisammen säße, sich im nächsten Zimmer tummelten und sie und ihre Leute fortwährend ärgerten. Wenn sie zum Beispiel in der Küche säßen, so schlügen die Feen in der Milchkammer ihre Purzelbäume, daß sie immer vor den Milchsetten Angst hätten, und wenn sie die Kühe anspannten, so wären die Feen in der Küche, sängen, lachten und sprängen über Tisch und Bänke, Topf und Tiegel.
Eines Tages, als ihre Leute und die Schnitter vom Feld gekommen waren, um den Ernteschmaus, welchen die Hausfrau mit großer Sorgfalt und Schmackhaftigkeit bereitet hatte, verzehren zu helfen, und alle sich schon um den Tisch gesetzt hatten: da hörten sie auf einmal Musik über sich und Lachen und Tanzen und pardauz! fiel eine dicke Staubwolke hernieder und verschüttete alle Speisen, die auf dem Tische standen. Besonders war der Pudding ganz verdorben, und den Leuten, welche sich schon auf das leckre Essen gefreut hatten, war vor Schreck aller Hunger vergangen. In diesem Augenblick der Verwirrung und des Aergers trat eine alte Frau herein, welche die Unordnung sah und die ganze Geschichte erzählen hörte.
»Laßt's Euch nicht verdrießen,« flüsterte sie der Frau des Farmers in's Ohr, »ich will Euch sagen, wie Ihr die Feen los werden könnt. Ladet auf morgen Mittag sechs von den Schnittern dort zum Eßen – aber thut's recht laut, damit Euch die Feen auch hören! – Und dann macht nicht mehr Pudding, als in eine Eierschaale geht und laßt es hübsch kochen. Für die sechs ausgehungerten Mähder wird es freilich ein knappes Gericht sein, aber es wird hinreichen, um die Feen zu vertreiben. Folgt meinem Winke, und Ihr werdet in der Zukunft nicht mehr belästigt werden!«
Die Farmersfrau that, was ihr die Alte gerathen hatte; und als die Feen nun hörten, daß ein Pudding für sechs Mähder in einer Eierschaale angerührt und gekocht werde, da entstand im anstoßenden Zimmer gar ein gewaltiger Lärm und eine Stimme rief ärgerlich aus:
»Wir haben lange in der Welt gelebt; wir wurden geboren, sogleich nachdem die Erde geschaffen und noch ehe die Eichel gepflanzt war: aber einen Ernteschmaus in einer Eierschaale kochen haben wir noch nicht gesehn. Nein – in diesem Hause muß nicht Alles richtig sein – kommt, wir wollen nicht länger unter diesem Dache bleiben!«
Von der Zeit an hatte es mit der Musik, dem Lärmen und Tanzen ein Ende, und die Feen wurden in diesem Hause nicht mehr gesehn noch gehört.
Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 109-112.
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Sonntag, 15. Februar 2009 | 4636 Zugriffe
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Literatur/Gedichte / Balladen
Der Fischer
Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Ein Fischer saß daran,
Sah nach dem Angel ruhevoll,
Kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er sitzt und wie er lauscht,
Teilt sich die Flut empor;
Aus dem bewegten Wasser rauscht
Ein feuchtes Weib hervor.
Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
»Was lockst du meine Brut
Mit Menschenwitz und Menschenlist
Hinauf in Todesglut?
Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter, wie du bist,
Und würdest erst gesund.
Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
Das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angesicht
Nicht her in ew'gen Tau?«
Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Netzt' ihm den nackten Fuß;
Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,
Wie bei der Liebsten Gruß.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehn:
Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
Und ward nicht mehr gesehn.
Johann Wolfgang von Goethe
Sonntag, 15. Februar 2009 | 5394 Zugriffe
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Maerchen/Schweiz
Auf einem Schlosse wohnte eine Jungfrau, die war so schön, man konnte auf der Welt nichts Schöneres sehn. Sie hatte dunkelbraune Haare, und ihre Augen waren so glänzend schwarz, daß man fast so wenig darein blicken konnte, wie ins liebe Sonnenlicht. Die Jungfrau hatte aber ein hochmütiges Herz, und alle Freier, die auf das Schloß kamen, wies sie schnöde von hinnen; und wenn es die reichsten Grafensöhne waren, so wurden sie doch nur eine Zeitlang zum Besten gehalten und dann unter Hohn und Spott verabschiedet wie die andern, auf Nimmerwiedersehen. Das ging nun so, so lang es ging.
Eines Tages kam ein Jüngling, der gefiel der Jungfrau heimlich über die Maßen wohl. Ihr stolzes Herz ließ ihr aber nicht zu, daß sie es gestanden hätte; und so ließ sie ihn Geschenke auf Geschenke, eines prächtiger und reicher als das andere, auf das Schloß bringen und wies ihn jedesmal mit künstlichen Worten ab, sooft er sie bat, daß sie jetzt seine Braut werden möchte. An einem Abend saßen die beiden zusammen im Walde nahe bei einer Quelle, die tief aus einem moosigen Felsen heraussprudelte. Da sagte die Jungfrau zu dem Jüngling: »Ich weiß, Ihr könnt mir keinen Fürstenthron zum Brautschatz schenken; gleichwohl will ich Eure Braut sein, wenn Ihr mir an der Stelle des Dorngebüsches, das hier diese Quelle verdeckt, ein Wasserbecken von Edelsteinen herrichtet, die so rein sind wie Glas und so lauter wie das Wasser, das darein fließt.«
Nun fügte sich's, daß die Mutter des Jünglings eine Fee war; und als er ihr noch am gleichen Tag erzählte, was die Jungfrau auf dem Schlosse von ihm verlangte, da erstellte sie über Nacht ein Brunnenbecken in dem Wald, das überstrahlte in Blau und Gelb und Karmesin alle Blumen.
Am andern Morgen sagte die Jungfrau zu dem Jüngling: »Etwas habt Ihr getan; es ist aber noch nicht alles, was ich billig verlangen kann. Zu dem Brunnenbecken gehört ein Garten; den müßt Ihr mir noch an die Stelle des Waldes setzen, sonst kann ich Eure Braut nicht sein.« Das sagte der Jüngling wiederum seiner Mutter; und als am Abend die Jungfrau an dem Brunnen saß, da sproßte es rings um sie her veilchenblau und rosenrot auf, und in einem Augenblicke war der ganze Wald ein Garten; der Boden war mit Millionen Blumen übersät und in den Büschen sangen und hüpften wilde und zahme Vögel, daß es eine Freude war.
Der Jungfrau lachte bei diesem Anblick das Herz, und als nun der Jüngling herzukam, so wäre sie ihm beinahe um den Hals gefallen und seine Braut geworden; allein auf einmal fielen ihre Augen auf ihr Schloß, das sich nun gar alt und seltsam ausnahm neben dem prächtigen Garten mit dem funkelnden Glasbrunnen. Da sagte sie: »Der Garten gefällt mir; es ist aber noch nicht alles, was ich billig verlangen kann; an die Stelle des alten Schlosses müßt Ihr mir eins von Rubin und Perlen erbauen, sonst kann ich Eure Braut nicht sein.« Als der Jüngling diese Rede seiner Mutter wieder hinterbrachte, da wurde die Fee von Zorn erfüllt; im Augenblick war der schöne Garten verschwunden und das alte Waldgestrüpp wucherte wieder fort; nur der schimmernde Glasbrunnen blieb, und daran saß jetzt die Jungfrau alle Abend und wartete mit Sehnsucht auf den Jüngling; aber dieser blieb fort; denn seine Mutter hatte ihm das stolze Herz der Jungfrau geoffenbart; und wenn sie nicht gestorben ist, so sitzt sie noch dort.
Quelle:
Sutermeister, Otto: Kinder- und Hausmärchen aus der Schweiz, Aarau: H.R. Sauerländer, 1869, S. 2-4.
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Samstag, 14. Februar 2009 | 4334 Zugriffe
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Maerchen/Wales
Vor vielen hundert Jahren lebte ein Priester, Namens Elidurus, welchem folgende Geschichte begegnet ist. Als er noch ein Knabe und ungefähr 12 Jahre alt war, da ward es ihm einst zu lästig von seinen Lehrern immer zum Lernen angehalten zu werden. Denn wenn auch der weise Salomon sagt, daß die Frucht des Studirens süß sei, so fühlte Elidurus doch jetzt nur die Bitterkeit seiner Wurzel –, und kurz – eines Tages lief er, um der Zucht und den Schlägen seines Lehrers zu entgehn, fort und versteckte sich unter dem hohlen Ufer eines Flußes. Nachdem er daselbst zwei Tage gehungert hatte, erschienen ihm zwei Männer, klein wie die Zwerge, und sagten ihm: »wenn Du mit uns gehen willst, so wollen wir Dich in ein Land voll Lust und Freude bringen!« Er willigte gleich ein, stand auf und folgte seinen Führern auf einem Pfad, der zuerst unterirdisch und finster war, endlich aber in ein gar wunderherrliches Land mit schönen Strömen und Wiesen, Wäldern und Ebnen führte. Aber das Land war dunkel und nicht von dem vollen Licht der Sonne beschienen. Die Tage waren alle trüb, und die Nächte äußerst finster, kein Mond und kein Stern war zu sehn. Der Knabe ward vor den König geführt und ihm in Gegenwart des ganzen Hofes vorgestellt. Darauf, nachdem er längere Zeit mit ihm geredet und ihn hinreichend erforscht hatte, übergab er ihn seinem Sohne, der auch noch ein Knabe war. Diese Leute waren alle von der kleinsten Statur, aber sehr lieblich und ebenmäßig gebaut. Sie hatten schönes und glänzendes Haar, welches ihnen, wie das der Frauen, reich über die Schulter fiel. Sie aßen weder Fleisch noch Fisch, sondern lebten nur von Milchspeisen, welche in den Schüßeln mit Saffran angerichtet wurden. Sie bedienten sich niemals eines Eides; denn Nichts war ihnen so sehr verhaßt als Lügen. So oft sie aus der Oberwelt heimkehrten, tadelten sie die Eitelkeit, Untreue und Unbeständigkeit der Menschen. Sie hatten keinen Gottesdienst; das Einzige, was sie liebten und heilig hielten, war die Wahrheit.
Der Knabe kehrte oft an die Oberwelt zurück; zuweilen auf dem Weg, den er zuerst gegangen war, zuweilen auf einem andren. Das erste Mal führten ihn Einige, um ihn zurecht zu weisen; später gieng er allein. Sein Geheimnis vertraute er nur seiner Mutter an, der er auch von den Sitten, der Natur und Beschaffenheit des Volkes erzählte.
Da diese ihn nun einstens bat, ihr etwas Gold, an welchem das unterirdische Reich Ueberfluß hatte, mitzubringen, so stahl er bei einem Spiele mit dem Sohne des Königs den goldnen Ball, mit welchem derselbe sich zu zerstreuen pflegte, und brachte ihn seiner Mutter in großer Hast. Aber als er die Thüre seines väterlichen Hauses erreicht hatte und in aller Eile eintreten wollte, da stolperte er über die Schwelle und schlug seiner Länge nach in die Stube, in welcher seine Mutter saß. Zugleich nahmen die beiden Zwerge, die ihm heimlich gefolgt waren, den Ball auf, der aus seiner Hand gerollt war, und entfernten sich, indem sie den Knaben anspuckten und verhöhnten. Da er sich von seinem Fall erholt hatte, von Scham verwirrt und den schlimmen Rath seiner Mutter verwünschend, kehrte er auf dem gewohnten Pfad zu dem unterirdischen Reiche zurück, aber er konnte den Eingang nicht wieder finden, ob er gleich ein ganzes Jahr lang suchte. Seine Freunde und seine Mutter brachten ihn endlich wol zurück, und da er sich den gelehrten Studien nun ernstlicher als vorher zuwandte, so ward er auch im Laufe der Jahre zum Priester ordiniert. Aber so oft David der Zweite, Bischof von St. David, mit ihm – selbst noch in seinem Greisenalter – von diesem Ereignis sprach, so konnte Elidurus die einzelnen Umstände niemals ohne viele Thränen erzählen.
Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 102-105.
Quelle: http://www.zeno.org
Dienstag, 03. März 2009 | 4528 Zugriffe
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Sagen/Deutschland
In Brunnen und Flüssen wohnt ein geisterhaftes Wesen, welches die Kinder, die sich unvorsichtig dem Wasser nähern, in die Tiefe zieht. Man nennt diesen Geist den Brunnenmann, gewöhnlich Hakemann, Häkemann, Häkelmann, Häkelkerl, weil er die Kinder ins Wasser hakt. Namentlich soll der Hakemann in dem Opferteiche in Moringen wohnen. In Reinhausen läßt man die Kinder um sie abzuschrecken wohl in das Wasser sehen, indem man sie fest hält. Erblicken sie nun in dem Wasser ihr eigenes Bild, so sagt man, das sei der Häkelmann, der unten im Brunnen sitze. In Amelsen sagt man der Hakemann habe neun Köpfe.
Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 65.
Quelle: http://www.zeno.org - Zenodot Verlagsgesellschaft mbH
Samstag, 14. Februar 2009 | 4602 Zugriffe
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